
Strategie ist keine Kür, sondern Führungsaufgabe.
Und doch wird sie in vielen Unternehmen stiefmütterlich behandelt – halb definiert, schlecht kommuniziert oder gar nicht erst gedacht. Die Folgen: operative Hektik, unklare Prioritäten und ein Team, das im Nebel stochert.
Wer als Führungskraft glaubt, mit ambitionierten Zielen sei der Job getan, macht es sich zu leicht. Denn ohne Richtung bleibt Leistung Zufall – und Führung ein leeres Versprechen.
Dieser Beitrag richtet sich an alle, die Verantwortung tragen. Er zeigt, warum fehlende strategische Führung kein harmloses Versäumnis ist, sondern ein Akt der Feigheit gegenüber dem eigenen Team – und was mutige Führungskräfte stattdessen tun.
Führung ohne Richtung: Warum Ziele allein nicht reichen
Ziele motivieren – aber nur, wenn der Weg dorthin klar ist.
Was in der Theorie selbstverständlich klingt, scheitert in der Praxis oft an einem simplen Missverständnis: Viele Führungskräfte glauben, dass ambitionierte Zielvorgaben schon reichen, um Orientierung zu geben. Tun sie nicht.
Ein Ziel wie „25 % Umsatzwachstum“ oder „beste Customer Experience der Branche“ ist ohne strategischen Rahmen wertlos.
Denn das Team bleibt mit der Frage zurück: Worauf fokussieren wir? Welche Kundengruppen? Welche Angebote? Welche Kompromisse sind erlaubt – und welche nicht?
Ohne diese Klarheit entsteht Aktionismus. Jeder arbeitet, aber nicht alle am Gleichen. Entscheidungen basieren auf Bauchgefühl, Abstimmungen werden zäh, Verantwortung zerfasert.
Wer nur Ziele nennt, aber keine Strategie vorgibt, delegiert nicht – er kapituliert.
Was stattdessen gebraucht wird:
- Ein klares Bild vom Spielfeld: Wo spielen wir – und wo bewusst nicht
- Echte Prioritäten: Was ist wichtiger als der Rest?
- Ein gemeinsames Verständnis: Wie sieht Erfolg konkret aus – aus Sicht des Kunden, nicht aus PowerPoint?
Wer führen will, muss den Kurs setzen. Nicht durch Micromanagement, sondern durch strategische Klarheit.
Das gefährliche „Eh-klar“-Phänomen
„Es ist doch eh klar, wo wir hinwollen.“
Ein Satz, den man in vielen Führungsetagen hört – oft mit einem Schulterzucken, manchmal mit einem Lächeln. Doch genau hier beginnt das Problem.
Was für das C-Level „klar“ erscheint, ist für operative Teams häufig nicht greifbar.
Mehr noch: Selbst innerhalb der Geschäftsleitung existieren oft unterschiedliche Vorstellungen – je nachdem, mit welchem Vorstand man spricht. Der eine meint Marktführerschaft, der andere Profitabilität, der dritte Technologieführerschaft. Und alle gehen davon aus, dass es ohnehin jeder verstanden hat.
Das Ergebnis ist strategische Projektion:
Man glaubt, das Team denkt in denselben Mustern, verfolgt dieselbe Logik, kennt dieselben Prioritäten. In Wahrheit herrscht ein gefährlicher Flickenteppich aus individuellen Interpretationen.
Wer Strategie nicht explizit macht, sorgt für stille Verwirrung – und lauten Leerlauf.
Was konkret hilft:
- Regelmäßig das Strategiebild im Team hinterfragen: „Was glauben die Leute, was gerade die wichtigste Stoßrichtung ist?“
- Den Satz „Das ist eh klar“ aus dem eigenen Wortschatz streichen.
- Strategiekommunikation als wiederholende Übung begreifen – nicht als einmalige Keynote.
Strategie ist nicht, was im Vorstandskreis verstanden wird.
Strategie ist, was alle im Unternehmen täglich mitdenken – oder eben nicht.
Strategie ist ein Führungsinstrument – kein Dokument
In vielen Unternehmen existiert Strategie – auf Papier.
Dutzende Slides mit Marktanalysen, Wettbewerbsvergleichen und SWOT-Matrizen. Viel Aufwand, wenig Wirkung. Denn das ist keine Strategie – das ist Research. Die eigentliche strategische Richtung müsste in wenigen klaren Sätzen formulierbar sein. Wenn das nicht gelingt, ist sie nicht klar genug gedacht.
Strategie ist keine Präsentation. Strategie ist Führung in ihrer klarsten Form. Sie wirkt nicht durch ihre Existenz, sondern durch ihre Präsenz. Und die entsteht nur, wenn sie laufend kommuniziert, erklärt und in Entscheidungen sichtbar gemacht wird.
Das Problem: Viele Führungskräfte glauben, Strategie müsse sachlich und nüchtern sein. Doch das Gegenteil ist der Fall. Eine gute Strategie ist emotional anschlussfähig.
Sie liefert ein Bild, das Orientierung gibt – nicht nur rational, sondern auch auf der Gefühlsebene: „Da wollen wir hin. Und ich verstehe, warum das wichtig ist.“
Was erfolgreiche Führungskräfte konkret tun:
- Sie verankern die Strategie in Meetings, Entscheidungsprozessen und täglichen Priorisierungen.
- Sie übersetzen das große Zielbild in nachvollziehbare Leitlinien – für jeden Bereich.
- Und sie wiederholen es so oft, bis sie sich selbst dabei fast komisch vorkommen.
Denn genau in diesem Moment beginnt die Strategie, im Unternehmen zu leben.
Mut zur Klarheit: Warum Strategie kein Wohlfühlthema ist
Gute Strategie tut weh.
Denn sie zwingt zu Entscheidungen. Zu Verzicht. Zu Klarheit. Und genau das macht sie so unangenehm – besonders für Führungskräfte, die es allen recht machen wollen.
Viele „Strategien“ sind deshalb weichgespült:
„Wir wollen führend sein“, „Wir setzen auf Innovation“, „Wir bieten besten Kundenservice“. Klingt gut, bedeutet nichts. Solche Floskeln vermeiden Konflikte – und verschleiern Verantwortung.
Wer strategisch führen will, muss mutig priorisieren. Das heißt:
- Ja zu A heißt Nein zu B.
- Bestimmte Kunden bewusst nicht bedienen.
- Wachstum nicht überall, sondern gezielt.
- Und in der Kommunikation nicht rumeiern, sondern Haltung zeigen.
Hilfreiche Reflexionsfragen für Führungskräfte:
- Was trauen wir uns nicht zu sagen, obwohl wir es längst wissen?
- Wo verstecken wir uns hinter Zielen, weil wir keine echte strategische Entscheidung treffen wollen?
- Welche klaren Prioritäten könnten wir morgen kommunizieren – auch wenn’s wehtut?
Mut zur Strategie ist Mut zur Führung.
Alles andere ist Delegation an den Zufall – oder ans Team. Und das ist nicht fair.
Zusammenfassung: Klare Strategie ist ein Akt der Verantwortung
Strategie ist keine Option. Sie ist Führungsverantwortung.
Wer ohne klare Richtung führt, überlässt die Deutungshoheit anderen – dem Team, dem Zufall, dem Wettbewerb. Und das ist nicht nur ineffizient, sondern feige.
Eine gute Strategie ist keine PowerPoint-Datei und kein Buzzword-Flickenteppich.
Sie ist eine Entscheidung: für Klarheit, für Prioritäten, für Führung mit Haltung.
Sie beantwortet nicht nur was erreicht werden soll, sondern vor allem wie – und sorgt dafür, dass jeder im Unternehmen dieses „Wie“ versteht, verinnerlicht und im Alltag lebt.
Mein Appell an alle, die führen:
- Trefft strategische Entscheidungen – mutig, klar und sichtbar.
- Verwechselt sie nicht mit Zielen oder Maßnahmen.
- Und kommuniziert sie so oft, bis sie sitzt.
Strategie ist kein Vortrag. Strategie ist das, was euer Team spürt – oder eben nicht.
Lasst euer Team nicht im Stich – gebt ihnen die strategische Orientierung, die sie verdienen.

